Indische Heiratsportale:


Per Mausklick zum Eheglück

Veröffentlicht: 15. April 2007

Moderne Inder suchen ihre Ehepartner mit Vorliebe im Internet - ein Trend von dem professionelle Online-Heiratsvermittler profitieren. 


Allerdings sind es primär die Eltern, die für ihre Kinder suchen - und Ladenlokale à la "Ebay-Shop", von denen aus agiert wird, denn über heimisches Internet oder auch nur Internet-Erfahrung verfügt die Mehrheit nicht.

Quelle: spiegel.de

Das Chaos vor der Tür ist überwältigend. Rikschas, Karren, Autos und Kühe drängen sich dicht and dicht auf den verstopften Straßen von Allahabad im nördlich-zentralen Teil Indiens. Die Kakophonie der tosenden Geräusche ist ebenso intensiv wie die Verschmutzung der Luft. Die Bürgersteige sind vollgerümpelt mit allen möglichen Waren, die den Vorbeigehenden willkürlich angeboten werden. Eilige Passanten schlängeln sich durch die freien Lücken.

Wenn man jedoch das Geschäft von Kiran Chawla betritt, ist es als würde man in eine andere Welt eintauchen. Hinter der zweistöckigen Ladenfassade verbirgt sich eine Atmosphäre, in der die stille Nervosität eines Ärztewartezimmers auf die schweigende Konzentration eines Internetcafes trifft. 

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Chawla selbst sitzt ruhig in einem verglasten Büro in der Mitte des Raumes, und bietet den Kunden Tee und Wasser zur Entspannung an.
Es gibt viele, die zu ihr kommen. Chawla bietet etwa, wofür immer mehr Inder bereit sind, viel Geld auszugeben. Sie ist selbstständige Besitzerin einer Filiale der führenden indischen Heirats-Webseite Shaadi.com. Chawla verkauft die Liebe.

Kaste, Sternzeichen und anderes

"Liebe?", fragt Chawla, 54, mit hochgezogenen Augenbrauen. "Sie kommt von innen. Sie ist ein Gefühl des Herzens." Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: "Und sie entsteht durch Verbindungen."

Zur Unterstützung sind Mütter und Väter mitgekommen. Sie drängen sich im Wartezimmer, die Lebensläufe von Söhnen und Töchtern fest umklammert. Profi-Fotos ihrer erwachsenen Kinder in Anzügen und Saris gehören zum Standard - genauso wie seitenlange Lebensläufe, in denen Religion, Kaste, Sternzeichen, Hautfarbe, Gehalt und Dutzende anderer Informationen aufgeführt sind. Und sie haben Geld dabei; das beliebte Premium Angebot von Shaadi.com kostet deftige 150 Euro.

In der Tat ist es so, dass die Heiratsindustrie durch den wachsenden Reichtum Indiens boomt. Es kommt nicht selten vor, dass Familien aus der indischen Mittelklasse über 10.000 Euro für die Heirat ihrer Tochter ausgeben - eine stattliche Summe in einem Land, in dem mehr als ein Drittel der Bevölkerung immer noch von weniger als einem US-Dollar am Tag lebt. Die indische Industrie als Ganzes setzt - grob geschätzt - ungefähr 10 bis 15 Milliarden Euro pro Jahr um, vermutet Shaadi.com Mitgründer und Geschäftsführer Anupam Mittal.

Indische Heiratsvermittler: Schnittstelle zwischen Cyperliebe und klassischer Partnersuche

Die Heiratsvermittlungen besetzten dabei eine wichtige Nische. Jährlich werden in diesem Bereich ungefähr 180 bis 220 Millionen Euro umgesetzt. Obwohl nur ungefähr fünf Prozent der 1,1 Milliarden Inder online sind, spielen sich immer mehr indische Liebesgeschichten in der virtuellen Welt ab. Unternehmen wie Shaadi.com verfolgen den Trend aufmerksam - und wollen mit ihren Online-Dienstleistungen saftige Gewinne abschöpfen.

Chawlas Filiale - im Grunde genommen eine Schnittstelle zwischen Cyberspace und dem traditionellen Indien - ist eines von 130 Franchise-Unternehmen, die über das gesamte Land verstreut sind. Vierhundert weiter sollen in den nächsten zwei Jahren hinzukommen.
Ein Zugang zu den rund 400.000 Lebensläufen, die in der Datenbank von Shaadi.com gespeichert sind, wird nur gegen Zahlung einer Gebühr gewährt. Zudem werden in Zeitungen und Magazinen Anzeigen mit Darstellungen der Vermittlungswilligen geschaltet. Das scheint notwendig, denn laut Chawla haben die meisten ihrer Kunden noch nie einen Computer benutzt.


Eltern, Geschwister, Tanten oder Onkels der jungen Singles
machen mindestens 90 Prozent der Filialkunden aus.

"Wenn man das Lächeln auf dem Gesicht der Eltern sieht, weiß man, dass man die Sache gut gemacht hat", sagt Chawla. Die 54-Jährige hat 11 Enkel, spricht vier Sprachen und arbeitet an sieben Tage pro Woche. Ihren Erfolg erklärt sie sich durch ihr Engagement und die moderne Technologie, "die unvorstellbar und fantastisch" ist. Ihr Erfolg ist Ausdruck der aktuellen Verschmelzung von Technologie und Tradition, die in Indien zu beobachten ist.

Eines späten Nachmittages betritt Rajni Jaiswal, 26, den "Shaadi Point" und nimmt neben ihrem Vater und einer Tante in Chawlas Büro Platz. Mit ihren Rehaugen und dem pechschwarzem Haar verkörpert sie das Schönheitsideal des modernen Indien. Bekleidet mit Jeans und schwarzem Kapuzenpulli sitzt sie entspannt neben ihrer Tante im orange gefärbten Sari. Die wiederum scheint etwas angespannt, hält ihr rote Handtasche fest umklammert. Die meisten von Rajnis Freunde haben in den letzten ein, zwei Jahren geheiratet - jetzt steht sie unter dem Druck, dem Beispiel zu folgen.

Partnersuche wird nicht einfacher

"Es ist gut hier", sagt Rajni. "Chawla weiß, was für einen Partner ich suche." Ihr Wunsch-Mann soll möglichst einige Jahre älter als sie sein, einer geregelten Arbeit nachgehen und nicht in Rajnis Heimatstadt leben.

Einige Tastaturanschläge später präsentiert ihr Chawla Hunderte möglicher Partner, die zu ihren Suchprofil passen. Nachdem Rajni sich für einen der Kandidaten entschieden hat, verlangt die Software die Eingabe ihres Geburtsdatums samt exakter Uhrzeit. Während nun alle Anwesenden gebannt auf den Bildschirm starren berechnet der Computer, per Horoskopabgleich ob Rajni und ihr Favorit zum Traumpaar geeignet sind. Zur großen Freude der Familie ist das Ergebnis der Berechnungen positiv.

5.000 Euro pro Monat

Mittal gründete die Firma 1997 nach einem zufälligen Treffen mit einem traditionellen Heiratsvermittler in Mumbai. "Seine Arbeit hat mich sehr fasziniert und brachte mich ins Grübeln: 'Mein Gott, die Wahl des Lebenspartners ist bestimmt von der Entscheidung dieses Vermittlers'", sagt Mittal.

Sein Web-Portal war von Anfang an ein Hit - und das, obwohl die Seite aufgrund der niedrigen Rate von Internetanschlüssen in Indien bei Exil-Indern beliebter war als im Heimatland. Das hat sich mittlerweile geändert. Jetzt kommen 70 Prozent der Kunden aus Indien.

Fokus auf ältere Semester

"Es war nötig, um den Markt vollständig zu bedienen zu können", begründet Mittal, weshalb das Unternehmen mittels Offline-Filialen expandiert. "2003 wurde uns bewusst, dass es sei nur eine Frage der Zeit ist, bis uns die Kunden in der virtuellen Welt ausgehen. Das Internet richtet sich an junge Menschen. Was ist mit jenen, die die Entscheidungen für ihre Kinder fällen?"

Chawla eröffnete ihre Shaadi Point-Filliale ("Shaadi" ist Hindu für "Heirat") 2004, nachdem sie eine Anzeige des Unternehmen gelesen hatte. In ihrer Funktion als Gesicht des Cyber-Unternehmens verdient sie eine Menge. In guten Monaten nimmt sie ungefähr 5000 Euro ein. Die Hälfte davon muss sie an die Firma abgeben. "Inzwischen habe ich es im Blut", sagt die Geschäftsfrau, die früher einmal Lehrerin war.

Aus online wird offline

Shaadi.com ist nicht die einzige Firma, die versucht, ein Stück vom Heiratsvermittlungs-Kuchen zu bekommen. Ihr Konkurrent, BharatMatrimony.com, hat eine stärkere Basis im Süden des Landes, verfolgt aber dieselbe Strategie: landesweite Expansion durch Eröffnung von Franchise-Filialen in der Offline-Welt. Die Firma hat mittlerweile 63 solchen Sub-Unternehmen und plant in dem kommenden 18 Monaten 300 weitere zu eröffnen. Ihr Gründer Murugavel Janakiraman, 36, glaubt, dass der Markt schnell wachsen wird. "Vierundsechzig Prozent der Inder sind unter 30", betont er.

Janakiraman sollte es wissen. Er selbst hat seine Frau vor acht Jahren über seine Webseite kennengelernt - nur eine der über 700.000 Erfolgsgeschichten, die aus seiner Firma und Mittals Shaadi.com hervorgegangen sind.

"In unserer Kultur, die so viel Wert auf die Ehe legt, gibt es sehr wenige Möglichkeiten andere Leute zu treffen", sagt Mittal. "Meist leben die Kinder bei ihren Eltern bis sie heiraten. Über junge Leute die miteinander ausgehen rümpft man die Nase."


Wer hat diese Reportage geschrieben?

Henning Wiechers beobachtet seit 2003 die Welt der Singlebörsen und gilt in den Medien als führender Fachmann zum Thema.

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