Internet Dating Conference 2019 |
Ein Erlebnisbericht mit spannenden Fakten zum internationalen Online-Dating, die man ansonsten kaum mitbekommt. Frisch von der IDATE, größte Singlebörsen-Konferenz der Welt.
Ein Beitrag von Henning Wiechers
Henning Wiechers ist der Gründer vom Singlebörsen-Vergleich.
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Übersicht:
- Globaler Niedergang des kostenpflichtigen Online-Datings - bis auf Deutschland
- Wer dominiert nun den Markt in den USA?
- Lateinamerika: App-Potenzial vorhanden, aber kein Umsatz
- Inside China: Sex-Apps und kleine Appstores
- Irrsinn: Datenschutz und dänische Apps für Schwule
Als ich 2009 das erste Mal die InternetDatingConference (IDATE) im Miami Convention Center besuchte, staunte ich Bauklötze: Über 1.000 Teilnehmer aus der Singlebörsen-Szene trafen sich zwei Tage lang zu einem lebhaften Austausch: Glücksritter, Neugründer, Etablierte und Dienstleister zu Themen wie "Fraud Detection" oder "Payment". Eine tolle Veranstaltung!
2019 - also 10 Jahre später – ist davon nicht mehr viel übrig geblieben: Optimistisch gezählt versammelten sich gerade mal 80 Leute im Konferenzraum eines Mittelklasse-Hotels in Delray Beach.
Hat Mark, der Veranstalter der idate2019.com, versagt? Nein, es gibt einfach nur noch ein Zehntel der Singlebörsen. Die großen Marken (Tinder, match.com,…) sind fusioniert und in der Hand weniger globaler Großunternehmen. Die Glücksritter, wie ein junger Mann, der mit MiddleEastChristians.com die christlichen Minderheiten im Nahen Osten zusammenbringen will (und dafür schon vom IS bedroht wurde) sind rar gesät.
Dennoch gab es spannende Vorträge und Gesprächsrunden, die mir neue Einblicke geben konnten, wie Online-Dating in den verschiedenen Regionen unseres Planeten funktioniert:
Hochpreisiges Online Dating ist global tot – bis auf in Deutschland
Die Freemium-Dating-Apps haben gewonnen. Weltweit ist es für Dating-Anbieter Standard, pro Nutzer 1,2 oder 3 Dollar zu verdienen. Vielleicht mal 5. Einige Regionen waren schon immer Low-Budget, z.B. Südamerika oder China. In den reicheren Ländern haben die Freemium-Apps die soliden Mittelklasse-Singlebörsen à la LoveScout24 weitgehend geplättet.
Die Match Group (größter Dating-Konzern der Welt) macht heute mehr Umsatz mit Tinder als mit dem ehemaligen Kernprodukt Match.com…
Wir haben hier in Deutschland (samt AT und CH) eine absolute Ausnahmesituation: Etablierte Partnervermittlungen, für die Singles 500 Euro ausgeben! Warum?
- Mit Parship, Elitepartner, eDarling,… haben wir starke Player, die es in anderen Ländern so gar nicht gibt.
- Die 15-Jahre-Werbeschlacht (TV, Plakat,…) dieser Partneragenturen hat den Singles immer wieder erklärt, dass hochpreisiges Dating Sinn macht.
- Die Deutschen wissen, dass Parship & Co. funktionieren: Jeder hat Pärchen im Bekanntenkreis, die sich dort getroffen haben.
- Nur in Deutschland gibt es in der öffentlichen Wahrnehmung die Aufspaltung in "günstige Flirtseiten" und "hochpreisige Online-Partnervermittlung". Überall sonst werden alle Angebote in einen Topf "Datingportale" geworfen.
Preise und kostenlose Funktionen der Top Partnervermittlungen:
» Parship kostenlos
» Parship Preise
» Elitepartner kostenlos
» Was kostet Elitepartner?
» Was kostet Lemon Swan?
Außerhalb von Deutschland sind bindungswillige Mittel- und Oberschicht-Singles übrigens durchaus genervt, dass sie sich bei der Partnersuche in die Niederungen der kostenlosen Flirtapps begeben müssen.
Und genau hier setzen die Spark Networks aus Berlin und Be2 aus München an: Sie bieten ihre Partneragenturen unter Brands wie "AcademicSingles" oder "EliteSingles" weltweit für genau diese Marktlücke an.
Die Singles der westlichen Welt werden damit von zwei Anbieter-Lagern bedient:
- von den Amis, die gut sind im Bereich der Freemium-Apps (ein 2,5-Billionen-Markt).
- von den deutschen Partnervermittlern (ein 1,0 Billionen-Markt)
Tja, nach Google, Facebook, Apple, AirBnB, Uber,… endlich mal ein Geschäftsfeld im B2C-Internet, das die Deutschen nicht verkackt haben!
USA: Partnervermittler statt eHarmony
Die USA sind ein typisches Beispiel dafür, wie Freemium-Apps alles geplättet haben. Okay, dass Match.com verliert, weil man in den Apps eine ähnliche Leistung deutlich günstiger bekommt, ist nachvollziehbar.
Aber was ist bitte mit der ehemals größten Online-Partnervermittlung der Welt passiert: Der Umsatz von eHarmony implodierte von knapp 400 Mio. Dollar in 2015 auf unter 150 Mio. in 2018. Wie konnte denn das passieren?
- Kein Wettbewerb, träge geworden – und klassisch wegdisruptiert…
- Der 107-jährige Gründer wurde zurückbeordert, um die Bude zu retten.
- Am Ende wurde das 12-Monats-Abo für rund $100 verschleudert…
Im Herbst 2018 übernahm dann Parship:
Make eHarmony great again!
Wo soll sich denn die 38-jährige heiratswillige Amerikanerin nun einen Partner suchen? Bei Tinder? Nein danke! Wer bedient diese Marktsegment?
Festhalten: Die klassischen Partnervermittler erleben in den USA gerade eine riesengroße Renaissance! Bei der IDATE stellten sie die Hälfte der Teilnehmer. Die halten sich die Bäuche vor Lachen und verdienen sich dumm und dämlich. Eine war gerade mit ihrem Office ins Empire State Building gezogen…
Allerdings sind das nicht mehr die alten "Heiratsinstitute Sonnenschein", sondern hochmoderne Player:
- überwiegend junge Unternehmerinnen zwischen 30 und 50
- mit tollen Webseiten
- beherrschen Online-Marketing (AdWords, Lead-Kauf,…)
- stark im Social Media und fantasievoll bei Offline-Events
- haben ihre Single-Datenbanken verbunden und liefern sich gegenseitig passende Kandidaten ($250 pro Stück)
- berechnen zwischen $5.000 und $50.000
Hut ab, da können sich die deutschen Schnarchnasen eine Menge abschauen!
Lateinamerika: Viel los, nur leider ohne Moos
Pedro Neira sitzt mit seinem 10-Mann-Team in Lima, Peru. Ein Haufen echter Nerds. Mit ihrer Dating-App "MiMediaManzana" bedienen sie den lateinamerikanischen Markt von Mexiko bis Feuerland. Klar auf Platz 1 liegt dort – wie sollte es anders sein – Tinder. Den zweiten Platz teilen sie sich mit Badoo und – na sowas – Jaumo aus Göppingen!
MMM hat zig Millionen aktive Nutzer. Jeden Tag. Bei einem Werbebudget von Zero. Da sollte es doch möglich sein, die Kosten für Gehälter und Technik zu verdienen (rund 300.000 Dollar im Jahr). Durch Werbeeinblendungen oder Premium-Features.
Ist es aber nicht. Und die Jungs haben wirklich alles versucht. Und dumm sind sie nicht – immerhin schaffen sie es, als absolute Nobodies ins Silicon Valley zu reisen und dort frisches Kapital zu besorgen.
Aber mit Südamerikanern ist online einfach nur schwer Geld zu verdienen. Denn sie sind es zum einen nicht gewöhnt und zum anderen fehlt es an so banalen Dingen wie einer etablierten Online-Zahlungsmethode.
Also warten sie darauf, dass sich die Situation verbessert. Mehr als mit kleinem Budget einer der Marktführer zu sein, können sie nicht tun…
China: Sex Apps für Wanderarbeiter und kein Spaß beim Online Marketing
Q, so ihr Name für Westler, ist eine 40-jährige chinesische Business-Frau, die seit 20 Jahren im Silicon Valley lebt und dort mit 2RedBeans eine Dating-App für im Ausland lebende Chinesen betreibt. Mit ihr plauderte ich stundenlang über das Online-Dating in China. Infos aus erster Hand, an die man sonst nur schwer kommt…
Zunächst bestätigte sie mal alles, was einem so über die eCommerce-Landschaft in China berichtet wird:
- WeChat als Tool für alles, bis hin zur QR-Code-Zahlung bei der Teeverkäuferin auf dem Wochenmarkt.
- Ein Staat, der alles reguliert, kontrolliert, mittrackt und sanktioniert.
- Ein Staat, der aber auch mit großer Energie Dinge vorantreibt.
- Die Einführung des Social-Scoring-Systems, das jedem Menschen gläsern macht und einstuft. Das finden die meisten Chinesen im Gegensatz zu uns allerdings super, dazu gleich mehr…
Sex-Apps für Wanderarbeiter
Das Online-Dating in China hat noch riesengroßes Wachstumspotenzial, wie ein Vergleich mit den USA zeigt:
Nur 0,5% der Chinesen nutzen heute Dating-Apps (USA: über 10%). Und zwar zu 80% die drei Marktführer Baihe, Shiji Jiayuan und Zhenai. Fusioniert und in der Hand eines Betreibers.
Wer sich verlieben will, nutzt diese Apps sicher nicht. Denn dafür sind die traditionellen Partnervermittler zuständig.
Über 95% der Nutzer diese Apps gehören zur Unterschicht mit einem Gehalt kleiner 9.000 Dollar. Wanderarbeiter, die in ihren Heimatdörfern eigentlich verheiratet sind, nun aber in der Gürtel-Stadt, Hosen-Stadt, Smartphone-Stadt oder wo auch immer in Fabriken arbeiten und sich untereinander zu Sexdates fern der Heimat verabreden.
Gesprochen wird darüber nicht und der Staat lässt es durchgehen. Brot und Spiele…
Kein Spaß beim Online-Marketing
Da viele akademische Singlefrauen in China unvermittelbar sind (sowas will sich kein Mann antun), versucht Q seit einigen Monaten, die chinesischen Damen an aufgeschlossenere chinesische Männer im Ausland zu vermitteln. Dafür gründete sie ein Office in Shanghai und stürzte sich ins Online-Marketing in China.
Und sie hasst es:
- Da der Google Playstore in China verboten ist, gibt es zig kleinere Appstores für Android. Ein Riesenakt, Updates der App sauber zu verteilen und jedes Mal die Prüfinstanzen zu überleben
- AdWords schaltet man bei Baidoo, das ist allerdings erstens Wildwest und zweitens geht’s nur über zwischengeschaltete Agenturen.
- Überhaupt ist jede Form der Online-Werbung nur über Agenten möglich. Und die sind deutlich weniger zuverlässig als man es bei uns kennt. Mit jedem darf man erstmal ein paar Nächte durchsaufen und Karaoke singen, um gegenseitigen Respekt aufzubauen.
- Es gibt viel mehr Marketing-Kanäle als bei uns. Z.B. bei der Plakat-Werbung nicht einfach einen Stroer wie bei uns, sondern derer 20. Je nach Stadt usw. Und jedes Mal braucht man wieder einen Agenten…
- Rechtssicherheit: Weitgehend Fehlanzeige. Bei Streitigkeiten drängen Gerichte auf eine außergerichtliche Einigung. Und im Zweifelsfall dauert ein Prozess ewig – bei völlig ungewissem Ausgang.
Fazit aus deutscher Sicht: Man kann die Chinesen gerne irgendwelche Produkte herstellen lassen, aber dort aktiv mit einem Online-Business den Markt zu beackern, ist schon aus ganz praktischen Gründen so gut wie unmöglich. Von übergeordneten politischen Hemmnissen ganz zu schweigen…
Dänemark: DSGVO und die Homosexuellen…
Morten Wagner betreibt zusammen mit seinen Geschwistern diverse größere eCommerce-Webseiten in Dänemark. Seine Schwester sitzt in der Jury vom dänischen "Höhle der Löwen". Offiziell wohnt die Familie in der Schweiz – kein Bock auf 60+ Prozent dänischen Steuersatz.
Morten war auf der IDATE, um zu verstehen, warum seine Datingseite dating.dk – immerhin lange Jahre die Nummer 1 – in den vergangenen Jahren um Dreiviertel geschrumpft ist. Tja, ein klarer Fall von "Opfer der globalen Freemium.Apps".
Er hatte etwas spannendes aus der Datenschutz-Ecke zu erzählen: 20% seiner Nutzer sind homosexuell. Der schwule männliche Nutzer freut sich darüber, dass ihm statt Frauen eben Männer angezeigt werden. Logo. Nein, nicht "logo". Das ist in Dänemark nämlich verboten. Unternehmen dürfen die sexuelle Präferenz von Kunden nicht speichern. Denn das könnte ja gehackt werden – und dann wüsste ganz Dänemark, dass Karlotto schwul ist…
Und darum geriet dating.dk ins Visier der dänischen Datenschützer. Es droht die "4% vom Gesamtumsatz"-Strafe. Blöd, bei einem Firmengeflecht mit zig Plattformen…
Soweit die Eindrücke von der Internet Dating Conference 2019. Ich berichte dann 2020 wieder…