"Wir hoffen, dass sich über papasu.de sehr viele allein lebende, chronisch erkrankte Menschen finden."

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interview mit Jörg Brosig von PaPaSu.de

Jörg Brosig

Initiator von PaPaSu.de (PatientenPartnerSuche)

Veröffentlicht: 23. November 2005

PaPaSu.de, die Online-Patienten-Partnersuche, vermittelt "alleinlebende, chronisch erkrankte Menschen", damit diese "gemeinsam glücklich durch das Leben ziehen können". Der Initiator dieser honorablen Partnerschaftsvermittlung, Jörg Brosig, im interessanten Gespräch darüber, wie es überhaupt zu dieser Idee kam.


Herr Brosig, erklären Sie unseren Lesern bitte die Idee von PaPaSu.de! Wofür steht dieser Begriff? 

Die Idee: Seit 1991 lebe ich nun mit einer unheilbaren Krebserkrankung, dem multiplem Myelom. Dass ich mit dieser schlimmen Krebserkrankung heute noch lebe, habe ich sehr fachkompetenten und patientenfreundlichen Ärzten, dem Einsatz neuester Medizin, unserem solidarisch finanzierten deutschen Gesundheitswesen, meiner Familie, den echten Freunden und wohl auch dem lieben Gott zu verdanken.


So kam ich zur Partnersuche für chronisch Kranke...

In 1997 gründete ich in Nordrhein-Westfalen, ohne zu ahnen was auf mich alles zukommen würde, eine Selbsthilfegruppe zur Erkrankung, die "Plasmozytom / Multiples Myelom Selbsthilfegruppe NRW e.V.". Diese Selbsthilfegruppe ist Mitglied der Deutschen Leukämie- und Lymphom-Hilfe e.V. Bundesverband (DLH).

Sehr schnell verstand ich, worauf es in der Selbsthilfe wirklich ankommt. Die Bedürfnisse der Patienten und Angehörigen stehen grundsätzlich an erster Stelle. Alles andere ist zunächst einmal zweitrangig! Selbsthilfegruppenleiterinnen- oder leiter müssen unbedingt darauf gefasst sein, dass sie auf jegliche Problematik aus dem Erkrankungsalltag angesprochen werden. Tabuthemen darf es für Selbsthilfegruppenleiterinnen/-leiter nicht geben!


Das sind die Herausforderungen bei der Partnersuche mit Krankheit...

Ein besonderes Problem liegt bei meinen alleinlebenden Mitpatienten vor, egal welche chronische Erkrankung vorliegt. Mit ihren Sorgen, Ängsten und Wünschen müssen diese Mitpatientinnen und Mitpatienten ganz alleine leben. Ganz besonders hart trifft es dabei immer wieder vom Lebenspartner verlassene alleinerziehende Mütter!


Was ist beim Online-Dating mit Krankheit anders? Ein Beispiel...

Eine alleinerziehende 50jährige Mitpatientin (Sohn 10 Jahre alt) hatte weinend im Mai 2003 den ersten telefonischen verzweifelten Hilferuf an mich gerichtet: "Herr Brosig, ich brauche einen Mann, denn ohne geliebt zu werden möchte ich nicht mehr leben." Sie berichtete von ihrem positiven Krankheitsverlauf. Einige Jahre schon liegen keine Erkrankungsaktivitäten mehr vor! Sie berichtete auch von ihren Treffs mit gesunden Männern. Diese Männer hatte sie über Zeitungsanzeigen kennen gelernt und jeder von ihnen hatte ihr gefallen.

Beim ersten abendlichen Essen im Restaurant wollte sie mit diesen Männern ehrlich und offen über Gott, die Welt und sich selbst reden. Gott und die Welt kamen bei den Männern gut an und ganz nebenbei, sie sei ja eine gut aussehende Frau. Die glänzenden Augen und interessierten Blicke der Männer belegten diese Aussage! Wie sie dann über sich selbst berichtete und es wagte, über ihre Erkrankung zu sprechen, zeigten sich die drei Männer überhaupt nicht mehr von der Schönheit und Weiblichkeit ihrer Gesprächspartnerin angetan.

Zunächst Verständnis aber mit einem abnehmenden Glanz in den Augen und dann das erste "Äh", "Aber" und "Wenn". Dann folgte ein "Ich muss nach Hause und wir bleiben ja in Kontakt". Keiner der drei Männer meldete sich nach dem abendlichen Essen mehr bei der verzweifelten Frau.


Wie die Idee zur Partnersuche-Seite für Singles mit Erkrankung geboren wurde...

Ich versuchte diese Frau zu ermutigen, weiter über die Zeitung zu suchen, aber sie war so tief verzweifelt, dass ich wirklich glaubte, sie wolle nun ihr Leben beenden. In der schlimmen Not versprach ich ihr, einen alleinlebenden Mitpatienten zu suchen, der sich dann mit ihr treffen könnte.

Beim Joggen hatte ich dann den "Geistesblitz": Die Gesunden suchen und finden sich ggf. über die Homepages der Partnersuche. Wenn Gesunde schon große Probleme bei der Partnerfindung haben, ist diese Problematik bei chronisch erkrankten Menschen um ein Vielfaches höher.

Eine helfende und sichere Homepage für die PatientenPartnerSuche www.Papasu.de muss nun aufgebaut werden! Im Sommer 2003 lernte ich durch einen Zufall den Design- und Technikexperten und heutigen Freund Hartmut Sokolski (die Freundschaft entstand durch papasu.de) persönlich kennen. Wir unterhielten uns offen und ehrlich über die Problematik von chronisch erkrankten Menschen und meine Idee wurde dann in enger Kooperation technisch umgesetzt.

Wir hoffen sehr, dass sich nun über papasu.de sehr viele alleinlebende, chronisch erkrankte Menschen finden und dann gemeinsam glücklich durch das Leben ziehen können.


Wie viele chronisch Kranke - sprich Ihre Kernzielgruppe - gibt es in Deutschland ungefähr?

Laut Schätzung sollen in Deutschland ca. > 10 Mio. Menschen mit einer chronischen Erkrankung leben. Wie viele jetzt u.a. eine Partnerin, einen Partner, eine Freundin oder einen Freund suchen, kann ich beim besten Willen nur grob schätzen. Ich denke, es werden wohl ca. > 2 Mio. Menschen sein.


Was war Ihre Motivation, ein solches Angebot zu schaffen?

Nicht nur als langjähriger und sehr erfahrener Patient einer zurzeit noch unheilbaren Krebserkrankung (Multiples Myelom immerhin 14 Jahre überlebt - Diagnose zum 30. Geburtstag) habe ich in den Wartezimmern der Kliniken und Praxen unzählige offene und sehr ehrliche Gespräche mit meinen Mitpatientinnen und Mitpatienten führen können.


Geeignete Plattformen zur Partnersuche für Krebskranke oder mit Partnersuche mit MS sind so wichtig...

Auch als Gründer sowie ehrenamtlicher Leiter der Plasmozytom / Multiples Myelom Selbsthilfegruppe NRW e.V. wurde ich mit den Sorgen, Ängsten und Wünschen meiner Mitpatienten immer wieder konfrontiert. Dabei kam heraus, dass in den sogenannten "normalen" Foren nicht über Krankheiten und deren Probleme gesprochen werden kann.

Es mußte also eine Kontaktbörse geschaffen werden, bei der durch die Offenheit, bei einer Partnersuche vorhandene Krankheiten zu benennen, spätere Enttäuschungen weitestgehend vermieden werden, und dennnoch die Identität des Kontaktsuchenden gewahrt bleibt.


Sie sind erst Ende letzten Jahres gestartet, haben aber schon über 1.000 Mitglieder. Davon träumen viele andere Singlebörsen. Wie erklären Sie sich den Erfolg? Lebt PaPaSu von der Mundpropaganda?

PatientenPartnerSuche ist ein Thema, das bisher eher verschwiegen als propagiert wurde. Durch den Aufbau der Kontaktbörse PaPaSu.de, und den Mut der Macher, ein Tabu zu brechen, wurden auch die Medien aufmerksam. Der besondere Erfolg von PaPaSu.de liegt in der bisher noch nicht bekannten Art und Aufmachung eines Kontaktportals. So werden "Step by Step" auch die Wünsche der Mitglieder berücksichtigt und in die Plattform eingebracht.


PaPaSu.de ist schlicht, aber genau auf die Bedürnisse von Singles mit Erkrankung zugeschnitten.

Eine solche Seite, die auf die Bedürfnisse der Mitglieder eingeht und innerhalb weniger Stunden reagieren kann, z.B. durch den Einbau der Funktion der Schriftvergrößerung in mehren Stufen, ist einmalig auf dem Markt der Kontaktbörsen und spricht sich in allen bekannten und weniger bekannten Foren schnell herum. Wenn Sie im September 2005 bei der Suchmaschine "Google" den Begriff "papasu" eingeben, erhalten Sie in der deutschen Suchliste >800 Verknüpfungen. Das ist doch schon sehr beachtlich.


PaPaSu lädt auch nicht chronisch Kranke ein, mitzumachen. Wie hoch ist deren Anteil - und warum suchen diese Menschen nicht bei einer "normalen" Singlebörse, sondern bei Ihnen?

Unser Leben ist nicht eingeteilt in: "Hier die Einen - und dort die Anderen". Leider ist es so, dass chronisch kranke Menschen, wir sprechen von Patienten, von Menschen ohne Erkrankung, nennen wir sie mal: Nichtpatienten, ausgegrenzt, isoliert werden, oder sich selbst isolieren. Da wir aber alle in einer einzigen Gemeinschaft leben, wirken wir bewußt gegen jegliche Isolation bzw. Abgrenzung.

Toleranz ist für die Menschen, die zu PaPaSu kommen, kein Fremdwort und ggf. sind diese ja über die Intoleranz so genannter "gesunder Singels" enttäuscht. Wieviele Nichtpatienten bei PaPaSu sind, können und wollen wir nicht benennen, da es keine Statistik darüber gibt - eben, weil wir keine Isolation wollen.


Sind Ihre Mitglieder eigentlich primär an einer Partnerschaft oder primär an einem Austausch mit Gleichgesinnten interessiert? Welchen Stellenwert haben Freundschaften bei hnen - worum es in den üblichen Singlebörsen ja eher weniger geht?

Primär wollen diese Mitglieder eins, sie wollen nicht mehr alleine durch das Leben ziehen. Ob sie dabei an eine feste Partnerschaft oder einen festen Freundeskreis denken, ist einmal dahingestellt. Die ersten Erfahrung haben gezeigt, dass der Wunsch nach einem Lebenspartner sich mit dem Wunsch nach einer Freundschaft die Waage hält.


Bei der Partnersuche mit Krankheit spielt Freundschaft einen wichtige Rolle.

Der krankheitsbedingte Erfahrungsaustausch zwischen den Gleichgesinnten findet mehr in den speziellen Selbsthilfegruppen statt und die soll, die will und die kann papasu.de mit Sicherheit nicht ersetzen. Darum bietet PaPaSu den Selbsthilfegruppen eine Verlinkung und Veröffentlichung ihrer Daten an. Das wir nun trotzdem auch die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch anbieten, liegt daran, dass nicht jeder chronisch erkrankte Mensch ein Mitglied in einer Selbsthilfegruppe werden möchte.

Chronisch erkrankte Mitpatienten berichten oft von einer enttäuschten Freundschaft. Meine wenigen echten Freunde habe ich in der schweren Zeit unmittelbar nach der Krankheitsdiagnose kennen gelernt. Meine echten Freunde schätze ich sehr und deswegen bin ich der Meinung, dass papasu auch den Bereich der Freundschaftssuche abdecken sollte.


In Ihrer Webseite steckt viel Herzblut, wie man sehr leicht merkt. Die Mitgliedschaft ist jedoch kostenlos. Wie finanzieren Sie die Ausgaben für Programmierung, Technik, Server, Werbung etc.?

Die Erstellung dieser Webseite war ein Herzenswunsch, also sollte so eine Seite auch mit viel Herzblut erstellt werden. Aber nicht allein mein Herzblut steckt in papasu.de, das Herzblut vom Webmaster und heutigen Freund Hartmut Sokolski ist es gewesen welches den Aufbau dieser Webseite überhaupt so möglich gemacht hat. Er ist der jenige, der sich nach den technischen Bedürfnissen unserer Mitglieder immer wieder orientiert und die oft berechtigten guten Ideen in papasu.de auch einbringt.


PaPaSu.de ist wirklich barrierefrei.

Wichtig dabei ist, dass sich PaPaSu von allen anderen Anbietern nicht nur inhaltlich sondern auch äußerlich unterscheidet, und die Mitglieder sich sofort mit der Seite identifizieren können. Bedenken Sie bitte, dass viele Mitglieder keine PC-Erfahrung besitzen, nicht wissen wie man ein Bild hochlädt, oder erst einmal eine Orientierung insgesamt im Umgang mit Internetseiten bekommen müssen.

Darüberhinaus muss bei der Gestaltung und Funktion der Seite auf die seelischen und körperlichen Empfindungen der Mitglieder eingegangen werden. Diese Spezifitäten, die PaPaSu aufweist, machen dieses Herzblut aus. Damit sind wir einmalig.

Finanziert wird die Webseite durch Sponsoren! Wir würden uns natürlich sehr darüber freuen, wenn weitere Sponsoren dazu kommen würden, denn papasu.de verlangt eine zeitlich umfangreiche Pflege (Support, Serviceleistungen der Bildbearbeitung etc.) sowie Kosten durch Programmierung und Wartung durch den Betreiber, Hartmut Sokolski (www.welverweb.de).


Zu Ihrer Person: Ihnen wurde das Bundesverdienstkreuz verliehen! Herzlichen Glückwunsch - das kann wahrlich nicht jeder von sich behaupten. Stand diese Verleihung auch im Zusammenhang mit PaPaSu? 

Vielen lieben Dank. Die Verleihung des Ordens stand nicht im Zusammenhang mit Papasu.de. Jahre vor der Idee papasu.de wurde die Empfehlung an den Bundespräsidenten gerichtet.


Sind Sie selbst aktiv bei PaPaSu auf der Suche? Und haben Sie schon eine Partnerin gefunden?

Nein, ich suche keine Partnerin aber Freunde die mich in der wichtigen Arbeit der Selbsthilfe unterstützen (Teamarbeit) suche ich immer!


Abschließend unsere Standardfrage: Was sind Ihre nächsten Ziele? Wo sehen Sie PaPaSu in fünf Jahren?

Vorab: Ich danke u.a. den lieben Gott, dass ich mit meiner unheilbaren Erkrankung schon 14 Jahre leben durfte! Papasu.de soll Mitpatienten über den jetzigen Rahmen von Deutschland, zunächst Österreich und der Schweiz.


Herr Brosig, wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch!

Keine Ursache, wenn sie es wünschen und wir beide gesundheitlich dazu in der Lage sind, können wir uns in fünf Jahre gerne wieder sprechen!

(Jörg Brosig ist leider im Juni 2006 (rund 7 Monate nach diesem Interview) verstorben)

Neugierig geworden?

Hat leider im Herbst 2018 aufgegeben.


Wer hat das Interview "PaPaSu.de" geführt?

Pamela Moucha arbeitet in der Test-Redaktion und verliebt sich gelegentlich beim Pilzesuchen im Wald.

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